Westliche Philosophie, vietnamesische Wurzeln – ein Widerhall
Als in Deutschland aufgewachsener Vietnamese
finde ich den Weg zu meiner kulturellen Matrix
nicht durch Nachahmung –
sondern durch das Labyrinth
europäischer Denktraditionen.
In ihren Rissen:
Echos meiner Herkunft.
Hermann Schmitz –
kein deutscher Systembauer,
sondern stiller Zersetzer.
Sein leibliches Widerfahrnis
zerbricht die Subjekt-Objekt-Mauer,
trifft im Kern
daoistisches Wu Wei:
Nicht ich handle –
das Handeln atmet durch mich,
wie Wind durch Bambusrohre.
Deutsche Sprache –
ein Schleier,
unter dem vietnamesische Weisheit
weiterlebt.
James Clerk Maxwell –
Formeln, Linien, Felder.
Doch hinter der Mathematik:
Pratītyasamutpāda.
Ein Netz des Entstehens,
das meine Ahnen kannten,
lange bevor es Gleichungen gab.
Meister Eckhart –
Gelassenheit,
die Leere (Śūnyatā) umkreist,
die in Pagoden
flüstert.
Die Hüllen wechseln,
die Erfahrung bleibt.
Meine Spürfeldmeditation –
kein Osten, kein Westen.
Ein lebendiger Beweis,
dass Praxis jenseits
dieser Kategorien existiert.
Sie könnte aus der Lǐnghuì-Tradition stammen,
doch spricht die Sprache
von Schmitz und Maxwell.
Der indirekte Weg –
direkter als gedacht.
Indem ich Exotik ablege,
finde ich Essenz.
Differentialgleichungen,
Verse des Lǎozǐ –
verschiedene Notationen
eines grundlosen Grundes.
Grenzgänger –
nicht Brückenbauer,
sondern Zeiger darauf,
dass die Ufer
Illusionen sind.
Schmitz’ Gründlichkeit,
vietnamesische Weisheit –
bereits verschränkt,
bevor ich spreche.
So kehre ich heim –
nicht nach Vietnam,
nicht ins Deutschland meiner Jugend.
Ich trete ein
in einen Ortlos-Ort,
wo alle Traditionen
ineinander fließen,
wie Farben
im Regenbogen.
Heimat –
kein Punkt auf der Karte.
Nur diese Gewissheit:
Die tiefsten Einsichten meiner Ahnen
warteten still darauf,
durch europäische Philosophie
in mir
aufzuwachen.